Das Licht der Irren by Daniel Picouly

Autor:Daniel Picouly [Picouly, Daniel]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783499432958
Herausgeber: Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg
veröffentlicht: 2019-12-11T23:00:00+00:00

18

Héra hatte François zum Bahnhof begleitet. Sie waren früh aufgestanden. Zum ersten Mal waren sie zusammen aufgewacht. Endlich... sie zuerst, und er, als er konnte. Ziemlich schwer so ein Morgen. Vor allem ein Morgen, von dem man geträumt hat. Ein Morgen ohne Strümpfe zum Überstreifen, Hemdschöße, Kinn zu rasieren, Atem... Sie hatte unbedingt lüften müssen! Und dieses Licht, das die Vorhänge vollsudelte! Sie hätte alles im Dunkeln lassen sollen. Das war eine hübsche Farbe zum Träumen. Sie würde weiter schlafen. François einen Zug nehmen. Es wäre einfacher.

Und schon das Frühstück im Bahnhofsrestaurant... die beiden großen Tassen café crème, die Butterwürfel und die Teilchen auf der orangenen Papierserviette... das war besser, als fortzufahren, und ließ in ihm die Lust aufkommen, seinen Panzer allein nur für sie ein Stück weit zu öffnen. François redete zuviel. Héra hörte nicht zu. Sie widmete sich mit ganzer Beflissenheit der Bewegung der Messerklinge rund um das warme Brötchen.

François fuhr weg. Kein Dampf, kein Taschentuch, Scheiben, die man nicht herunterlassen konnte. Entwertete Küßchen und ein kleiner Wink der Finger. Das war alles an Formalitäten. Das war auch genug davon.

Am verzinkten Tresen bestellte sie diesmal einen schön steifen Doppelten, und ‘neu kleinen Rum zum Abflug. Sie würde ihn wirklich brauchen.

Sie marschierte den ganzen Morgen durch die Straßen der Stadt. Sie ging ihren Plan nochmals Punkt für Punkt durch und erhärtete ihren Entschluß durch kräftige Absatztritte auf den Asphalt. Du wirst nicht kneifen dürfen, meine Alte.

Um 11 Uhr 30 lenkte sie ihre Schritte zum Krankenhaus und trat in das Café, das auf der anderen Seite lag. Das, von dem aus sie François aufgelauert hatte. Sie setzte sich an einen Tisch im Innern, direkt vor dem Restaurantraum... Einen Kaffee! ... Die Aufstellung war fertig, Gedeck wie Deckung gerichtet. Jetzt brauchte sie bloß noch abzuwarten.

Noch vor Mittag traf die Kundschaft bereits mit Stammgastschritten ein. Lief ganz nett, diese Kneipe. Jetzt die Bewegungen, Gänge und Bahnen genau studieren. Sie hängen ihre Sachen an den Garderobenständer, und manche auch ihre Kittel. Vor allem jene Damen. Häufig gibt es darunter was zu sehen. Um zur Toilette im Untergeschoß zu kommen, muß man den Speiseraum durchqueren. Perfekt. Aber Vorsicht, die Bedienung geht hier ziemlich schnell. Denn danach wirst du noch mal zurückkommen müssen.

Die Ereignisse beschleunigten sich. Ein Blondchen kam herein. Ungefähr ihre Größe. Ein Kittel und der Anstecker. Jede Menge Sachen darunter, um auf den Leim zu locken. Sie wurde begleitet von einer Freundin in der Rolle des Mauerblümchens zur Aufwertung. Klassische weibliche Konfiguration: die Kanone und ihre Kugel. Die andere behält ihre Elendshülle an. Zweimal Menü, und dann legen sie mit Kir los. Das dürfte vollauf genügen.

Die Mädels schlürfen. Jetzt oder nie! Sie bezahlt... Behalten Sie nur den Rest... geht zum Garderobenständer, kramt ihre Wollweste hervor... Verdammt, gleich fällt noch alles runter... und hängt sie in der ganzen Konfusion auf den weißen Kittel des Blondchens (unbeirrbar thronend, wahrscheinlich hat sie Wurzeln geschlagen). Sie nimmt das Ganze vom Haken und wirft es sich schludrig über den Arm. Dann stürmt Héra mit dem eiligen Schritt jener hinaus, die ihren Dienst antreten muß.

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